Zum Abschluss des Steinbachwiesen Open Air zelebriert Lichtenberg eine Hommage an den Odenwald
Fürth. Hätte jemand ein Werbevideo für den Odenwald geplant, er könnte sich diese Szenerie kaum besser ausdenken: Auf einer Wiese zwischen Wald und See feiern fröhliche Menschen die Odenwälder Kultur und Mundart – mit toller Musik, jeder Menge Humor und Lebensfreude und ein klein wenig Nostalgie. Das Konzert von Lichtenberg rundete am Sonntag das Steinbachwiesen-Open-Air des FC Fürth ab und beschloss damit drei Festivaltage, an deren Ende alle ein Lächeln im Gesicht hatten: Veranstalter, Publikum und Künstler.
Das Organisationsteam des Fußballclubs um Kurt Schmitt und Mark Lang hatte vor einigen Wochen eine mutige, aber richtige Entscheidung getroffen, als beschlossen wurde, das Steinbachwiesen-Open-Air trotz aller Widrigkeiten durchzuziehen. Nicht nur das Publikum, dem die Freude über die Rückkehr der Live-Musik nach so langer Pause deutlich anzumerken war, dankte es. Insbesondere aber für die Musiker ist aktuell jede Gelegenheit, wieder auftreten zu können, ein Segen. „Auch den Künstlern gegenüber stehen wir als Veranstalter in der Verantwortung“, hatte Schmitt im Vorfeld erklärt.
Nach der langen Zwangspause für Kunst und Kultur ließen sich Lichtenberg am Sonntag auch nicht von der urlaubsbedingten Abwesenheit des Stammbassisten Lazaros Dimitriou ausbremsen. Christoph Kaiser sprang ein und meisterte den Rhythmus-Part im Zusammenspiel mit Drummer Sebastian Altzweig – trotz nur einer gemeinsamen Probe im Vorfeld – souverän.
Überhaupt wird dieses besondere Bandprojekt, das auf der Verbundenheit mit der Odenwälder Heimat fußt, von einer beeindruckenden musikalischen Qualität getragen. Das ist unter anderem daran festzumachen, dass mit Thomas Markowic der Leiter der Heppenheimer Musikschule die Tastenarbeit übernimmt. Die beiden Frontmänner sind gleichzeitig die konzeptionellen Begründer von Lichtenberg: Gitarrist Thorsten Großkopf und Sänger Marcel Zocher trafen sich als Studenten in Frankfurt, entdeckten die gemeinsame Affinität zum Liedgut ihrer Odenwälder Heimat – und machten daraus ein Bandprojekt.
So steht es in der Lichtenberg-Historie, ebenso wie die Tatsache, dass es insbesondere die „Scholze Gret“ gewesen ist, die in beiden Familien oft und gerne gesungen worden war. Ehrensache, dass diese zutiefst traurige Mär vom mittellosen Odenwälder, der vom eigenen Haus und – vor allem – von der Gunst der Scholze Gret träumt, auch in den Steinbachwiesen, in der herrlichen Bluesversion vom ersten Lichtenberg-Album, erklang. Der vielstimmige Chor im Publikum war Beleg dafür, dass dieses Lied nicht nur in der Heimat der Band – Ober-Ramstadt –, sondern auch im Weschnitztal zum Kulturgut gehört.
Auch an einigen anderen Stellen des rund zweistündigen Programms musste das froh gelaunte Festivalvolk nicht lange zum Mitsingen aufgefordert werden: Bei „Mer sin all vum Ourewoald“ etwa, oder „Alleweil rappelts oam Scheierdoor“, oder „Schäi wie dehoam“, bei dem – wie auch an anderen Stellen – ein dreiköpfiger Bläsersatz die Band verstärkte. Es ist eine Stärke von Lichtenberg, diesen bekannten Heimatliedern einen modernen Sound zu geben, ihnen dabei aber ihre „Seele“ zu bewahren.
Geprägt war die Setlist freilich vom eigenen Material der Band, das mittlerweile auf zwei Alben verewigt ist. Und auch damit treffen die „Odenwälder Jungs“ den Nerv ihres Publikums, das gerne mitklatscht und -tanzt und -singt, wenn vom Ebbelwoi als Lebenselixier gesungen, dem Handkäs’ ein Blues gewidmet wird oder in „Hessen a la Kadd“ die weiteren Vorzüge der regionalen Küche gepriesen werden.
Neben Kulinarischem sind es Land und Leute des Odenwaldes, denen Lichtenberg ausgiebig Tribut zollen: „Wahre Helden“, die den Kaiserturm besingen und zum „Felschbäig naus“ auf der Schanz’ tanzen. Mal rockt es gewaltig, mal dominiert der Blues. Und zwischendurch wird gerappt und schimmert etwas Reggae durch. Die musikalische Bandbreite ist groß.
Das Publikum geht mit, feiert Band und Heimat und erlebt am Ende noch eine Überraschung: Die Ramstädter Jungs, an der Modau aufgewachsen, kennen nach einigen Gigs im Vorderen Odenwald inzwischen auch die Weschnitz. Eigens für das Steinbachwiesen-Open-Air hatten sie sich die „Fürther Weschnitzmelodie“ draufgeschafft und mit Bürgermeister Volker Oehlenschläger einen textsicheren Gastsänger ins Boot geholt. Der machte dabei eine bessere Figur, als er wohl selbst befürchtet hatte, und damit die facettenreiche Hommage an die Heimat perfekt.
Im Übrigen können sich die Odenwälder auch auf ihre Schutzpatronin, die heilige Walburga, verlassen, die den bedeckten Himmel bis zum letzten Ton der Band trocken hielt – erst dann trauten sich die ersten Regentropfen zaghaft zu fallen. Und so klang zum Festival-Abschluss als letzte Zugabe die rockige Hommage an die Heimat vom ersten Lichtenberg-Album „Das Glück liegt vor der Tür“ aus vielen Kehlen voller Überzeugung hinaus aus den Steinbachwiesen: „Du hast mir so viel gegeben, mit dir werde ich hier alt, mit dir verbringe ich mein Leben, du mein schöner Odenwald.“
—
Quelle: wnoz.de | 24.08.2021